Science-Fiction, das Genre der Aliens und Raumschiffe? Aber nein! Science-Fiction ist doch so viel mehr als das!
Seit die Science-Fiction erstmals Ende der 1920er-Jahre unter dieser Bezeichnung als eigenständige Sparte auf dem US-amerikanischen Zeitschriftenmarkt in Erscheinung trat, fristet sie ein Dasein zwischen Ablehnung und Hype. Science-Fiction? Ist das nicht nur was für nerdige Jungs? Science-Fiction? Erschienen in diesem Genre nicht viele der philosophischen Meisterwerke der vergangenen hundert Jahre?
Es stimmt, zahlreiche der gesellschaftskritischen Meilensteine des 20. und 21. Jahrhunderts, wie etwa Aldous Huxleys Schöne neue Welt oder Orwells 1984, sind Science-Fiction-Werke. Und auch der Umsatz des Genres kann sich sehen lassen: Ein großer Teil der Hollywood-Blockbuster besteht mittlerweile aus Science-Fiction oder weist zumindest Science-Fiction-Elemente auf.
Also, schauen wir uns doch das Genre Science-Fiction einmal genauer an.
- Definition Science-Fiction
- Typische Merkmale
- Geschichte
- Schnittstellen zu anderen Genres
- Verkaufszahlen
- Subgenres (Literatur und Film)
- Tropes
Definition Science-Fiction
Wie Fantasy wird auch Science-Fiction über die Welt, in der sie spielt definiert, und nicht über wiederkehrende Plotstrukturen oder inhaltliche Merkmale. Was SciFi wirklich ausmacht, ist das sogenannte „Novum“. Dies ist eine spezifische Neuerung, die (so) heute noch nicht existiert, aber dennoch eine logische Fortsetzung unserer aktuellen Welt darstellt.
Simon Spiegel schreibt:
„[Mit Novum] ist die charakteristische Neuerung, das unmögliche Ding – es können natürlich auch mehrere Nova sein – gemeint, das in unserer empirischen Realität (noch) als unmöglich gilt, die Handlungswelt der jeweiligen Science- Fiction-Geschichte aber entscheidend prägt.“
Das Novum
In Science-Fiction geschehen also stets unmögliche Dinge. Der Unterschied zur Fantasy ist jedoch, dass dieses Unmögliche wissenschaftlich möglich erscheint. Das bedeutet nicht, dass diese Nova tatsächlich auf wissenschaftlichen Grundlagen aufbauen. Doch die Story muss dies zumindest suggerieren.
Beispiel: Jemand entwickelt eine Zeitmaschine. Die Zeitmaschine ist dann das Novum.
Verfremdung
Nun wird es kurz ein wenig komplizierter, aber wir gehen es langsam an.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Science-Fiction ist, dass diese Alltägliches verfremdet und Fremdes vertraut erscheinen lässt. Mit anderen Worten: Wenn wir einen Fernseher in einer Science-Fiction-Geschichte sehen, ist dieser erstmal etwas Alltägliches. Da wir uns aber im Genre SciFi bewegen, muss dieser alltägliche Gegenstand irgendwie verfremdet werden. In der Regel geschieht das durch eine ungewöhnliche Darstellung. Etwa, indem er halb durchsichtig ist oder durch Sprache gesteuert wird oder sonst welche tollen Features besitzt, die Siri die Schamesröte ins Gesicht treiben.
Ich könnte jetzt mit Brecht und Šklovskij und Verfremdungstheorien anfangen, aber ich möchte ja nicht, dass mich am Ende des Artikels jeder hasst 😉
Kommen wir daher lieber dazu, wie das Fremde bekannt gemacht wird.
Wenn nun also ein genialer Wissenschaftler irgendein tolles futuristisches Ding entwickelt, sagen wir mal, ein fliegendes, zeitreisendes Auto wie in Zurück in die Zukunft, dann muss der Autor diese Neuerung umgekehrt vertraut machen, damit die Leser/Zuschauer sie akzeptieren und verstehen. Wie passiert das in Zurück in die Zukunft? Genau, die hightechitechi Zeitmaschine ist ein ganz normales, in Serie produziertes Auto, das es in der Realität gibt und das Doc bloß umgebaut hat. Das Auto, das erkennen wir. Das ist uns vertraut.
Dadurch, dass diese wissenschaftliche Neuerung letztlich bloß eine Weiterentwicklung unserer realen Welt ist und sie außerdem durch (Pseudo-)Wissenschaftlichkeit plausibel erscheint, akzeptieren wir ihre Existenz als Teil der Welt der Geschichte.
Dieses Erzeugen von Akzeptanz wird „Naturalisierung“ genannt.
Simon Spiegel schreibt:
„Auf formaler Ebene macht die Science-Fiction nicht das Vertraute fremd, sondern das Fremde vertraut.“
Herzlichen Glückwunsch! Du hast soeben den schwierigsten Teil des Konzepts von Science-Fiction verstanden! Ich verspreche, dass der restliche Artikel weniger kompliziert wird. 🙂
Typische Merkmale
Wo Fantasy mit der Vergangenheit liebäugelt, schaut Science-Fiction lieber in die Zukunft. Natürlich spielen nicht alle Science-Fiction-Geschichten in künftigen Welten. Manche sind in der Gegenwart, manche in der Vergangenheit und manche sogar in alternativen Vergangenheiten angesiedelt. Dennoch fördert die Notwendigkeit des „Novums“ die Tendenz von Science-Fiction, nach vorn zu blicken.
Künftige Entwicklung und philosophische Gedankenspiele
Typisch sind daher Spekulationen über künftige Entwicklungen. Science-Fiction greift häufig Themen der Gegenwart auf und spinnt diese weiter. Seit Anbeginn des Genres weist es daher auch eine dystopische Tradition auf denn, äh, anscheinend sind Schriftsteller überwiegend Pessimisten.
Wie wird sich die Gesellschaft verändern, wenn es keine Mobilität zwischen den Klassen mehr gibt (Die Tribute von Panem)? Was passiert, wenn wir eine Technologie entwickeln, die Körper und Bewusstsein trennen kann (Altered Carbon)? Was, wenn wir Menschen nicht mehr geboren, sondern gemacht werden (Schöne neue Welt)? Oft spielen dabei philosophische Gedankenspiele und ethische Fragen eine wichtige Rolle. Nicht selten dienen diese dann als Grundlage für politische Debatten. Orwells 1984 hält heute noch als abschreckendes Beispiel für die Auswirkungen eines Überwachungsstaates her.
Neue Technologien
Die Spekulationen über künftige Entwicklungen betreffen in Science-Fiction-Geschichten in vielen Fällen aktuelle Technologien. Mary Shelley etwa zog ihre Inspiration für Frankenstein aus den Experimenten, die Wissenschaftler zu ihrer Zeit mit Strom an Gewebe vollzogen. Die Matrix war eine Reaktion auf den Beginn des Internet- und Digitalisierungszeitalters. Daher sind Computer, KI und andere technologische Fortschritte häufige Themen in SciFi-Storys.
Besonders oft beschäftigt sich Science-Fiction auch mit Biotechnologie. Klone und gentechnische Veränderungen von Menschen, Tieren und Pflanzen sind nur ein Teil dieser Strömung. Hieraus hat sich das Subgenre Biopunk entwickelt.
Biopunk beschäftigt sich mit den sozialen Auswirkungen des Einsatzes von Biotechnologie und behandelt dabei im Gegensatz zum Cyberpunk nicht die Erweiterung des menschlichen Körpers durch mechanische Mittel, sondern die Veränderung der Biologie des Menschen selbst.
Auch ernsthafte Wissenschaft lässt sich oft genug von derartigen Spekulationen inspirieren, wie unter anderem die Erfindung des Hoverboards (Zurück in die Zukunft) oder des U-Boots (20.000 Meilen unter dem Meer) belegen. Und wenn ihr nicht aufpasst, dann lest ihr, wie ich, irgendwann Schöne neue Welt oder seht GATTACA und verbringt den Rest eures akademischen Lebens damit zu erforschen, was zum Teufel eigentlich einen Menschen ausmacht. Ernsthaft, ihr wollt nicht in diesen Kaninchenbau fallen. Und falls doch, habe ich ein paar Buch- bzw. Filmempfehlungen für euch 😉
Raumfahrt und Aliens
Das Merkmal, das wohl die meisten Leute mit Science-Fiction verbinden, ist die Raumfahrt. Ich gebe Star Trek die Schuld daran. Nein, das ist natürlich nur ein Scherz! Ich mag Star Trek! Und Star Wars auch! Ach verdammt, jetzt habe ich mich in eine Ecke manövriert. Egal.
Jedenfalls ist Raumfahrt ein häufig auftretendes Thema in der Science-Fiction, nicht selten auch in Verbindung mit Außerirdischen und fernen Welten. Dieser Trend ging aus dem Aufkommen des Raumfahrtzeitalters hervor und den Spekulationen, die dadurch über die unendlichen Möglichkeiten des Weltalls entstanden.
Moderne Medien
Für mich ist kein Science-Fiction-Film ohne hypermoderne Fernseher oder Computerscreens komplett. Tatsächlich sind besonders Science-Fiction-Filme von Medien im Medium Film besessen. Dies hat mit der philosophischen Natur des Genres und mit der Schwierigkeit, Medien in Medien darzustellen, zu tun. Eigentlich sollten Medien im Idealfall nämlich möglichst unsichtbar sein. Wenn man jedoch etwas so unsichtbar alltägliches verfremden muss (weil Science-Fiction, duh), wie stellt man das an? Spoiler: Meistens, indem man es älter macht anstatt neuer. Achtet mal darauf. Die meisten Screens in Science-Fiction-Filmen sind voller Störungen. Komisch, oder? Wo es doch die Zukunft ist?
Das Militär
Armeen sind ein immer wiederkehrendes Motiv in der Science-Fiction. Ich möchte mich nicht weiter dazu äußern, woran das liegen könnte. Akzeptieren wir es einfach und wechseln das Thema.
Geschichte
Als „Vater der Science-Fiction“ gilt gemeinhin Hugo Gernsback, der als Verleger verschiedener Zeitschriften tätig war und in den 1920ern zuerst den Neologismus „scientifiction“ und später auch „science fiction“ als Branding-Instrument nutzte. Im Film setzte der große Boom ab 1950 ein. Von diesem Zeitpunkt an produzierte Hollywood praktisch ohne Unterbrechung Science-Fiction-Filme.
Mit dem Erfolg von Star Wars im Jahr 1977 hat sich die Science-Fiction endgültig als Mainstream-Phänomen mit Blockbuster-Potenzial durchgesetzt.
Viele Werke wurden nachträglich der Science-Fiction zugerechnet. Gemeinhin gilt Mary Shelleys Roman Frankenstein aus dem Jahr 1818 als erstes Science-Fiction-Werk. Der künstliche Mensch, den der Protagonist Victor Frankenstein erschafft, entsteht nicht durch schwarze Magie oder Alchemie, sondern mithilfe präziser wissenschaftlicher Verfahren.
Auch zahlreiche Werke von Jules Vernes und Edgar Allan Poe wurden nachträglich der Science-Fiction zugeordnet.
Schnittstellen zu anderen Genres
Science-Fiction ist eng mit den Genres Fantasy und Horror verwandt. Mit Fantasy teilt sie das fantastische Element. Allerdings weisen manche Science-Fiction-Geschichten Nova auf, die kaum von Magie zu unterscheiden sind (etwa Superkräfte). Umgekehrt ist Magie in vielen Fantasy-Geschichten so fundiert erlern- und erforschbar, dass sie sich kaum noch von Wissenschaft unterscheidet. Die Grenze ist hier nicht immer trennscharf. Das Subgenre „Science Fantasy“ ist eine komplette Vermischung beider Genres und weist etwa sowohl Elemente aus Mythen und Sagen als auch wissenschaftliche Nova, wie etwa Raumfahrt, auf (Bsp. Star Wars).
Mit Horror teilt Science-Fiction vor allem das Verfremdungsmoment. Horror lebt davon, Bekanntes so zu verfremden, dass es uns unheimlich erscheint (der englische Begriff „uncanny“ passt eigentlich noch besser). Zahlreiche Science-Fiction-Geschichten weisen zudem klare Horror-Elemente auf. Prominentestes Beispiel aus der Filmwelt hierfür ist etwa die Alien-Reihe.
Verkaufszahlen
Die Verkaufszahlen von Science-Fiction festzumachen ist gar nicht so einfach. Denn viele der erfolgreichen Science-Fiction-Werke werden offiziell im Handel nicht hierunter gefasst, um sie für ein breiteres Publikum interessanter zu machen. Außerdem geben Umsatzberichte in der Regel Science-Fiction und Fantasy gemeinsam an.
Wie bereits im Artikel zum Genre Fantasy beschrieben, schwanken die offiziellen Verkaufszahlen beider Genres in Deutschland um die 5% des Gesamterlöses der Umsätze der Fiktion.
Ganz anders sieht es in der Filmbranche aus. Seit den 1970er-Jahren gehört dort Science-Fiction zu den umsatzstärksten Genres.
Unter den 10 (finanziell) erfolgreichsten Filmen aller Zeiten sind 3 Science-Fiction-Filme (Platz 2 Avatar, Platz 4 Star Wars: Episode VII – The Force Awakens, Platz 6 Jurassic World). Zählen wir Superhelden-Filme hinzu, was ich persönlich tue, sind es sogar 6 von 10 Filmen (Platz 1 Avengers: Endgame, Platz 5 Avengers: Infinity War, Platz 8 The Avengers).
Subgenres (Literatur und Film)
Apocalyptic and Post-Apocalyptic Fiction
Angesiedelt in einer Welt kurz vor oder nach dem Kollaps. Behandelt oft Zerstörung durch Kriege oder Ressourcenknappheit.
Biopunk
Behandelt Biotechnologie, z.B. Klonen oder gentechnische Veränderungen von Menschen, Tieren und Pflanzen.
Cyberpunk
Stark von neuen Technologien geprägte Szenarien, etwa technologische Erweiterungen menschlicher Körper, KI, Internet. Meist dystopisch. Vertritt oft auch kapitalismuskritische Tendenzen.
Invasionsfilme/ -Literatur
Behandelt Alien-Invasionen. Eng verwandt mit der Trope „erster Kontakt“.
Military science fiction
Behandelt Kriegsszenarien im Science-Fiction-Setting.
Pandemic Movie/Literature
Behandelt den Ausbruch von Pandemien.
Science Fantasy
Mischung aus Fantasy und Science-Fiction.
Space Opera
Im Weltraum angesiedeltes Setting. Der Plot beinhaltet meist große Heldentaten, romantische Subplots und Weltraumkriege.
Space Western
Western, der im Weltraum angesiedelt ist bzw. Western im Science-Fiction-Setting.
Steampunk
Sehr eng verwandt mit Science Fantasy. SciFi mit historischen Elementen der Technologie des 19. Jahrhunderts (insbesondere der Dampfmaschinen).
Superheldenfilm
Handelt von Superhelden und ihren Taten.
Utopien
Vision einer idealisierten Zukunft. Es ist umstritten, ob dies der Science-Fiction zuzuordnen ist oder ein eigenes Genre bildet.
Dystopien
Vision einer erschreckenden Zukunft. Es ist umstritten, ob dies der Science-Fiction zuzuordnen ist oder ein eigenes Genre bildet.
Tropes
Der Auserwählte
Nur einer kann die Welt retten. Vermutlich ist es unser Protagonist…
Alien-Invasion
Sie kommen und sie wollen unser Leben! Und bestimmt auch unsere Arbeitsplätze!
Böse Maschinen
Ich wusste schon immer, dass es mein Roomba auf mich abgesehen hat.
Böse Regierungen und Unternehmen
Macht korrumpiert. Punkt.
Erster Kontakt
Aliens sind so fremd und uns doch so ähnlich…
Künstliches Leben
Was macht den Menschen aus? (Bitte, bitte gebt mir diese Geschichten nicht mehr zu lesen!!!)
Roboter
Roboter, sie sind überall. Und sie werden uns alle irgendwann ersetzten.
Übermenschliche Fähigkeiten
Okay, welche Superkraft hättest du gern? Ich? Mh. Gedankenkontrolle. Muahahaha!
Zeitreisen
Nein! Unser Protagonist ist gestorben! Das ist so, so tragisch und einschneidend. Ach warte, lasst uns schnell eine Zeitreise machen und ihn zurückholen. Damit wird niemals jemand rechnen!
Annie
Aber Star Wars ist doch Fantasy… 🙂
Annie
Oh, hab eben überlesen, dass du das zusammenfasst. Sorry 😉
Alex
🙂
Alex
Haha, ja, mehr zu Star Wars hab‘ ich auch im Fantasy-Post geschrieben… Science-Fantasy, absolut!! 🙂
jasmin
wie heißt der autor dieses artikels ?
Alex
Hi,
ist derselbe Name wie im Impressum! https://blogfuerautoren.de/impressum/