Fantasy: Das Genre der unbegrenzten Möglichkeiten

Genre Fantasy

Schnell: Was ist der Unterschied zwischen Fantasy und Science Fiction? Fangfrage, natürlich. Nein, Zauberer und Drachen haben nichts damit zu tun. Nun, zumindest nicht direkt.

Fantasy definiert sich über seine fantastischen Elemente. Doch wie die im Einzelnen aussehen, ist extrem unterschiedlich. Die Welten des modernen Fantasy-Genres reichen von internationalen Megastädten bis hin zu komplett abstrakten Orten. Und genau das macht für viele den Reiz aus: Es gibt kaum etwas, das nicht möglich ist. Damit gehört Fantasy zu den vielfältigsten Genres überhaupt. Und spätestens seit Game of Thrones sind Medienunternehmen ständig auf der Suche nach dem nächsten Mega-Phänomen aus dem Reich des Fantastischen.

Schauen wir uns also das Genre Fantasy einmal genauer an.

Definition von Fantasy: Was macht das Fantastische aus?

Fantasy definiert sich durch das Fantastische. So weit, so ungenau. Aber was macht das Fantastische aus? Grundlegend ist, dass es so nicht in der realen Welt existieren könnte. Im Unterschied zur Science Fiction gibt es hierfür in der Fantasy aber keine (pseudo)wissenschaftliche Begründung. Das fantastische Element ist einfach da und wird allenfalls durch die Existenz von Magie in dieser Welt legitimiert.

Die grundlegende Definition umfasst also nur das Fantastische. Alle anderen Elemente, selbst die Magie, sind eine Option, aber keine Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Genre Fantasy.

Farah Mendleson schreibt in ihrem Aufsatz „Toward a Taxonomy of Fantasy“:

„Fantasy is defined in part by deconstruction, not by boundaries.“

Die Gemeinsamkeiten von Fantasy und Science Fiction 

Beide Genres gehören zu den sogenannten „fantastischen Erzählungen“. Sie erschaffen Welten mit Elementen, die so in unserer Realität (noch) nicht möglich sind. Anders, als bei Genre-Definitionen sonst üblich, machen Fantasy und Science Fiction jedoch nicht wiederkehrende Erzählmuster aus, sondern die Welten, in denen sie spielen. Eine gut durchdachte und vor allem konsistente Storyworld ist daher in den fantastischen Genres absolut essentiell. Beide Genres sind außerdem nicht nur miteinander verwandt, sondern auch mit dem Genre Horror.

Der Grundsätzliche Unterschied von Fantasy und Science Fiction

Während Science Fiction sich an der Zukunft orientiert, orientiert sich Fantasy an der Vergangenheit. Das „Fantastische“ in Science Fiction ist eigentlich gar nicht fantastisch, sondern muss nach der internen Logik der Geschichte wissenschaftlich möglich erscheinen. Dagegen ist Fantasy nicht an diese starren Regeln gebunden. Fantastisch darf hier tatsächlich fantastisch sein. Es bedarf keiner Begründung. Eine solche kann in Fantasy-Geschichten sogar kontraproduktiv sein. Magie ist einfach da. Sie muss nicht logisch sein (nun gut, eine gewisse Konsistenz in der Anwendung der internen Logik der Storyworld kann sicher nicht schaden). Genau das macht für viele Leser (und Autoren) gerade den Reiz von Fantasy aus: Der Fantasie sind keinerlei Grenzen gesetzt. Den Lesern ist es dadurch möglich, auch Ideen außerhalb der Grenzen der Logik zu erfahren.

Typische Fantasy-Merkmale

Fantasy besitzt natürlich noch weitere typische Merkmale neben Magie. Da Fantasy seinen Ursprung in Sagen und Mythen hat und eng mit Märchen verwoben ist, sind viele Fantasy-Elemente diesen Textarten entliehen. So zum Beispiel Heldenreisen, mystische Kreaturen oder sprechende Tiere. 

Weitere wichtige Merkmale sind klassische Fantasy-Wesen, die heutzutage in weiten Teilen von J.R.R. Tolkiens Der Herr Der Ringe beeinflusst sind. Ernsthaft, ich kann gar nicht genug betonen, wie groß Tolkiens Einfluss auf das moderne Fantasy-Gerne ist. Zu diesen fantastischen Wesen gehören Zauberer, Elben (oder Elfen in manchen Geschichten), Orks und Zwerge. Kurz zur Erklärung: Elben sind in der Regel unsterbliche (oder in manchen Werken einfach sehr langlebige) menschenähnliche Wesen mit spitzen Ohren. Orks sind weniger hübsche Kreaturen, aus denen Sauron in der Herr der Ringe seine Armee erschafft. Zwerge sehen aus wie sehr kleine Männer mit langen Bärten. Okay, liebe Fantasy-Fans, ich weiß schon, dass euch diese Erläuterung nicht gefällt. Sie ist für die Muggel unter den Lesern gedacht 😉 

Ich muss wohl nicht erwähnen, dass diese Klassifikationen oft einen sauren Beigeschmack haben, wenn man sie auf real existierende soziale Gruppen übertragen kann. Die meisten modernen Fantasy-Autoren sind sich dessen jedoch glücklicherweise bewusst und gehen das Problem entsprechend an.

Weitere typische Fantasy-Kreaturen sind Drachen, Einhörner, Feen, sprechende Bäume oder Gegenstände und allerlei andere Fabelwesen.

Da, wie gesagt, Fantasy eher mit der Vergangenheit als der Zukunft liebäugelt und außerdem viele ihrer Elemente Mythen und Sagen entnimmt, sind Fantasy-Settings häufig historisch angehaucht. Besonders oft kommen mittelalterliche Welten vor, die durch feudale Gesellschaften geprägt sind. Fantasy Geschichten müssen aber keineswegs zwangsläufig in einer vollkommen fiktiven Welt angesiedelt sein.

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen High Fantasy und Low Fantasy.

High Fantasy

Was die meisten Leute unter Fantasy verstehen, ist eigentlich sogenannte High Fantasy. High Fantasy Stories spielen in einer komplett von unserer Realität getrennten fantastischen Welt. Zu diesen Geschichten gehören beispielsweise Der Herr der Ringe oder Game of Thrones. 

Game of Thrones ist High Fantasy
Game of Thrones als Beispiel für High Fantasy; Quelle: imdb.com

Low Fantasy

Low Fantasy ist dagegen in unserer Realität, wie wir sie kennen, angesiedelt. Die fantastischen Elemente sind grundsätzlich davon getrennt. Berühmtestes Beispiel hierfür ist etwa Harry Potter.

Farah Mendlesohn unterscheidet jedoch noch weiter zwischen Portal Fantasy, immersiver Fantasy, intrusiver Fantasy und entfremdete Fantasy. Da ich diese Unterscheidung sehr logisch finde, möchte ich sie an dieser Stelle übernehmen.

Harry Potter ist low Fantasy
Harry Potter als Beispiel für Low Fantasy; Quelle: imdb.com

Portal Fantasy

In einer Portal Fantasy betreten die Protagonisten die fantastische Welt durch ein Portal, wie etwa in Narnia oder Alice im Wunderland. Das bedeutet, die reale Welt ist von der fantastischen Welt abgeschnitten und muss durch die Protagonisten erkundet werden. Typischerweise sind diese Stories wie eine Art Schatzsuche angelegt. Sie entwickeln sich linear und arbeiten auf ein bestimmtes Ziel hin. Sie beinhalten außerdem meist Hinweise darauf, wie das Ziel erreicht wird und wie die Welt funktioniert. Es greift hier also derselbe Mechanismus, wie bei den meisten Computerspielen. Der Protagonist lernt mehr und mehr über die Welt, bis er die Regeln meistert und diese Welt verändern kann.

Immersive Fantasy

In der immersiven Fantasy ist das Fantastische Teil der bekannten Welt. Für Autoren ist dies eine Herausforderung, denn im Gegensatz zur Portal Fantasy sind den Protagonisten die Regeln dieser Welt bereits bekannt. Es kostet daher einiges Geschick, den Leser mitzunehmen, ihm die fantastische Welt und ihre Regeln zu erläutern, ohne einen lähmenden Info-Dump im ersten Kapitel zu liefern. 

In immersiver Fantasy ist das Fantastische oft sehr nah an der Wissenschaft. Magie funktioniert meist nach strikten Regeln, kann erlernt und erforscht werden. Daher ist immersive Fantasy teils kaum von Science Fiction zu unterscheiden.

In immersiven Fantasy-Welten muss sich jedoch nicht unbedingt etwas Magisches ereignen. Manchmal findet Magie andernorts bzw. zu einer anderen Zeit statt oder existiert nur in Erzählungen. In diesem Fall lässt sich das Genre vor allem an den Worldbuilding-Elementen festmachen: Von unserer Welt losgelöste Welten mit mittelalterlichen Elementen sind in der Regel Fantasy zuzurechnen, auch wenn es keine Magie, Elfen oder Orks darin gibt. Als Ausnahme fasse ich dabei das Genre „alternative Geschichte“ auf. Dieses spielt aber auch in unserer Realität.

Intrusive Fantasy

Intrusive Fantasy ist in unserer bekannten (realen) Welt angesiedelt. Das Fantastische wirkt dadurch wie ein Eindringling. Es kann etwa das plötzliche und ungewöhnliche Erscheinen einer magischen Fähigkeit oder Kreatur sein. Harry Potter kann auf einmal mit Schlangen sprechen? Eine Elfe klopft an der Tür und bittet um Hilfe? Das fantastische Element verursacht Chaos und stellt die normale Welt auf den Kopf, ohne, dass der Protagonist diese verlassen muss. Nach der Resolution verschwindet das fantastische Element üblicherweise wieder. Eine typische Trope der intrusiven Fantasy ist übrigens der Freund, der über den Sommer bleibt.

Da auch in Harry Potter der Ausgangspunkt die normale Welt ist, die sich üblicherweise kaum mit der fantastischen vermischt, kann diese Serie zur intrusiven Fantasy gezählt werden.

Intrusive Fantasy hat starke Übereinstimmungen mit dem Subgenre „Erster Kontakt“ in der Science Fiction.

Entfremdete Fantasy

Die entfremdete Fantasy ist, wie die intrusive Fantasy, in der realen Welt angesiedelt. Auch hier müsste das Erscheinen des fantastischen Elementes die Protagonisten eigentlich in Erstaunen versetzen. Anders als in der intrusiven Geschichte, geschieht dies jedoch nicht. Die Leser werden desorientiert. Wieso reagiert der Gärtner nicht darauf, dass plötzlich ein Einhorn seine Blumen wegfuttert? Die Ursache für diese mangelnde Reaktion macht dann den Reiz der Geschichte aus.

Science Fantasy: Die Schnittstelle von Fantasy und Science Fiction

In Star Wars gibt es sowohl Raumschiffe als auch mythisch angehauchte Schwertkämpfe und einen Ritterorden. Was ist Star Wars also? Fantasy oder Science Fiction? Beides. Star Wars ist wohl das berühmteste Beispiel von Science Fantasy. Dieser Mix der beiden Genres wird in jüngerer Zeit immer beliebter. Viele Superhelden-Geschichten fallen etwa darunter. Man kann es Autoren und Lesern auch nicht verübeln: Science Fantasy bietet das Beste aus beiden Welten, unbegrenzte Möglichkeiten sozusagen.

Geschichte und Einflüsse

Geschichten mit fantastischen Elementen gibt es schon, so lange es die Menschheit gibt. Die Sagen Griechenlands oder Ägyptens, nordische oder östliche Mythologie. Diesen historischen Vorläufern entnimmt auch die moderne Fantastik viele ihrer Elemente. Neben Mythen und Sagen gibt es in der Fantasy starke Einflüsse von Gothic Novels und der Romantik und große Überschneidungen mit der Science Fiction. Als eigenes Genre wurde Fantasy jedoch erst ab Ende der 1940er-Jahre gebrandet. 

Lange Zeit war Fantasy vor allem etwas für Kinder. Fantasy für Erwachsene wurde erst durch den Herrn der Ringe wirklich populär. Und seit dem Mega-Erfolg von Game of Thrones? Nun, ich bin gespannt, wie sich die Popularität des Genres in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Verkaufszahlen

Zugegeben, im deutschen Buchmarkt machen Fantasy und Science Fiction noch immer nur rund 5 Prozent der Verkäufe aus. ABER: Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen Print und E-Books. Ein Großteil der Fantasy- und Science-Fiction-Bücher werden als E-Books verkauft und/oder als Self-Publishing-Werke (ca. 48% in 2017). Außerdem sind Fantasy- und Science-Fiction-Fans ihren Autoren meistens treuer als die Fans anderer Genres.

Seit 2010 haben sich die Absatzzahlen beider Genres außerdem verdoppelt

most popular fiction genres in Germany

Was Filme und Serien angeht, sieht es jedoch gleich völlig anders aus. Ein Großteil der Hollywood-Blockbuster ist inzwischen den fantastischen Genres zuzuschreiben. Und spätestens seit den Mega-Phänomenen Game of Thrones und seit 2019 The Witcher ist klar, das Fantasy-Serien zu den Zugpferden der Industrie zählen.

Ein Wechsel zum Drehbuchschreiben ist also für Fantasy-Autor/innen unter Umständen durchaus lukrativ.

Wichtigste Subgenres

Comic Fantasy

Fantasy mit komischen Elementen.

Dark Fantasy

Fantasy mit Horror-Elementen. Oft auch pessimistisch im Ton.

Fabeln

Sind an sich ein eigenes Genre, werden aber teils zu Fantasy gerechnet. Fabeln sind Geschichten mit nicht-menschlichen Charakteren, die zur Moralgeschichte werden.

Heroic Fantasy

Heldenreisen mit fantastischen Elementen in fiktionalen Ländern.

Historical Fantasy

Historische Fiktion mit fantastischen Elementen.

Portal Fantasy

Protagonisten gelangen durch ein Portal in eine fantastische Welt.

Romantic Fantasy

Liebesgeschichte mit fantastischen Elementen.

Science Fantasy 

Mischung aus Fantasy und Science Fiction.

Steampunk

Sehr eng verwandt mit Science Fantasy. Fantasy mit historischen Elementen der Technologie des 19. Jahrhunderts (insbesondere der Dampfmaschinen).

Sword and Sorcery

Abenteuergeschichten von Helden mit Schwertern.

Urban Fantasy

Spielt in einer Stadt (in der Regel einer real existierenden Stadt).

Symbole

Fantasy ist noch stärker als andere Genres durch Symbolismus geprägt. So fungiert etwa der Ring im Herrn der Ringe als Symbol für Verpflichtung und Verantwortung. Die White Walkers in Game of Thrones stehen symbolisch für den Klimawandel. Das Bild in Dorian Grey repräsentiert den moralischen Verfall des Protagonisten.

Es gibt zahlreiche Symbole, die immer wieder in Fantasy-Geschichten auftauchen. Dazu gehört etwa der mystische Wald (ein Symbol für das Unbekannte, Unerforschte und Unerklärliche), Spiegel (unterschiedliche Bedeutungen, oft aber Wahrheit) und Reisen (symbolisch für die innere Reise der Protagonisten).

Tropes

Der Auserwählte

Nur einer kann den dunklen Lord bezwingen. Wird es unser Held sein?! (Haha!)

Der rechtmäßige Erbe

Der böse Herrscher hat den Thron okkupiert. Doch der wahre Erbe ist irgendwo da draußen. Und wird mit absoluter totaler Sicherheit ein besserer König werden.

Der Mentor

Kein großer Krieger ohne legendären Mentor!

Pseudo-Mittelalter

Das kenne ich, das sieht aus wie das Mittelalter! Ach Scheiße, ich habe gerade ein Geschichtsbuch aufgeschlagen und da steht was ganz anderes.

Magische Artefakte

Was Thor sein Hammer, das Arthur sein Schwert. Es sei denn, ihr findet das magische Amulett, das beide bezwingen kann.

Rettung in letzter Sekunde

Gandalf, verdammt, musstest du es so spannend machen und erst dann auftauchen, wenn schon fast alles verloren scheint und dann ratz fatz alle besiegen? Weißt du, wie Scheiße uns das dastehen lässt?!

Gut vs. Böse

Hier gibt’s nur Schwarz oder Weiß. Fifty Shades of Grey hatte schlechte Kritiken.

Fantasy: Das Genre der unbegrenzten Möglichkeiten

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